27 Volkstracht

30.  Volkstracht

 

 

Das Bewusstsein von der hohen Bedeutung einer gemeinschaftsmäßigen Kleidung oder Volkstracht ist noch in vielen Gegenden unseres badischen Volksbodens ziemlich stark geblieben. Ihre Pflege und Behütung ist vornehmlich in die Hand der Frauen gegeben, die noch nicht überall von dem törichten Wahn befangen ist, die Tracht  ist etwas Überholtes, nicht mehr Zeitgemäßes. Leider hat auch hier schon seit Jahrzehnten die moderne Frauenkleidung die Volkstracht abgelöst; doch durch die Erhebung Birkendorfs zum Kurort sucht man mit allen Mitteln und Kräften, sie wieder ins Leben neu zu rufen, indem vorerst jüngere Bürgerstöchter, namentlich bei Touropa-Abenden in dem neuerstandenen Trachtenkleidchen auftreten zur Freude der fremden und heimischen Gäste. Ob das wiedererstandene Alte Bestand hat, wird die Zukunft lehren.

 

Volkstracht nenn man die Kleidung von einzelnen Gemeinschaften (Dorf, Tal, Gau), die mit besonderer Beharrlichkeit getragen wird, im Gegensatz zu der heute rasch wechselnden Mode.  Das schwäbisch-alemannische Gebiet war schon von jeher reich an solchen in unzähligen Abwandlungen erscheinenden Trachten. Vielfach ist das heute leider anders geworden. Die Städte erlagen zuerst dem Andrang der Mode und ihrem gleichmachenden Einfluss. Doch länger hielt sich die Volkstracht draußen auf dem Lande, wo die Bevölkerung durch ihr Verwurzeltsein mit der Heimaterde von Natur aus heimatverbundener konservativer ist. Durch den Fortschritt der Zeit, durch Technik und Ausbau der Verkehrsmittel, wodurch das hinterste Schwazwalddorf eine Verbindung mit dem weiten Heimatraum gefunden hat, trat auch hier eine grundlegende Wandlung ein. Während noch die Alten zäh an der althergebrachten Kleidung festhielten, wurde diese oft von dem jungen Volk als altmodisch, spießbürgerlich, ja sogar als ungesund und unbequem bezeichnet und somit abgelehnt. Niemand wollte rückständig sein und sich nicht von den Städtern über die Schulter anschauen lassen.

 

Die Mädchen vom Lande, die eine Dienststelle in der Stadt antraten und im billigen Kleidchen nach Hause kamen, wurden bestaunt und zum nachahmenswerten Vorbild auserwählt.

 

So schwand zuerst die malerische Tracht der Männer, die leuchtend rote Weste, die enganliegende Hose, der unbequeme Rock oder „Tschope“. Es verschwand die Tracht der Frauen in vielen Gebietene, ja selbst oft in den entlegensten Schwarzwaldtälern. Ungeklärt bleibt die Frage, warum das Urachtal im Schwarzwald, eines der abgelegensten urtümlichen Gebieten sich so rasch von seiner angestammten Tracht trennte, während andererseits Gegenden, die dem Verkehr weit näher liegen, wie das Elz- Gutach- Wolfach- und Schiltachtal, dem einfluss der nahen Städte rascher hätten erliegen müssen, doch bis heute stark an ihrer Tracht festhalten.

 

Es erfüllt und mit einer gewissen Wehmut, wenn wir die Tracht immer mehr und mehr dahinschwinden sehen; sie gehört nun in die Landschaft wie die Blumen, die aus der heimatlichen Erde sprießen und diese schmücken. Sie gehört aber zum Wesen der Alemannen; denn sie zeigt deutlich den diesem Volksstamm oft nachgerühmten Kunstsinn.

 

Durch ihre Vielgestaltigkeit tritt aber auch das Eigenbrötlerische des Alemannen zu tage, da nicht zuletzt Schuld daran trug, dass dieser Volksstamm sich nie zu einer politischen Einheit fand. Wo man heute noch diese Tracht trägt, ist man stolz auf ihre Eigenart und Schönheit.

 

Die Gutacherin zeigt heute selbstbewusst ihre schwarze Florhaube und darüber den Bollenhut mit den roten, aus Wolle gefertigten Rosen. Die Frau aus dem Harmersbachtal ist stolz auf ihre schwarze Henkelhaube und dem Stirnflor. Sehr kleidsam ist das Schnapphütchen, unter dem die Glottertälerin hervorlächelt. Bräutlich wirkt der Kopfschmuck der Mühlenbacherin, etwas ernst dagegen die Backenhaube der Neustädterin. Die Kinzigtälerin zeigt an ihrem Kopfputz, der Bänderhaube, den goldbestickten Kappenplätz. Eine mit schwarzen Fransen gezierte Schleife schmückt das Haupt der Markgräflerin. Diese Trachtenart findet man im Elsaß wieder.

 

Oft tragen junge Mädchen eines Ortes eine von den verheirateten Frauen etwas abweichende Art der Kopfbedeckung.

 

Zu dem schönsten Kopfschmuck der Schwarzwälderin gehört das Schäppele, eine aus Blumen, Glittergold, kleinen Spiegelchen und schimmernden Glasperlen hergestellte Krone, die in St. Peter und Umgebung getragen wird und nur von Jungfrauen an Festen. Im Hotzenwald (Görwihl) ist diese Kronenart faustgroß geblieben, in St. Georgen ist sie ein riesengebilde geworden.

 

Es würde zu weit führen, wollte man hier die Vielfalt der mit Gold- und Silberborten sowie Perlen bestickten Mieder, buntgemusterte Bänder,  gefältelten Röcke (Hippe) Seidenschals und Schulterkragen beschreiben, die für jedes Gebiet typisch sind.

 

Das Tragen der Tracht ist kein überalterter Mummenschanz, es ist ein Bekenntnis zur angestammten Heimat, Ausdruck eines Verwurzeltseins in heimatlicher Erde, eines sich Verbundenfühlens mit der Heimatgeschichte und mit den Altvorderen. Durch die Tracht wachsen gewissermaßen die Bewohner eines Tales oder Ortes zu einer Gemeinschaft zusammen. Wer die Tracht trägt, offenbart auch den Sinn für das Schöne  und Gute. Was sind gegn diese meist handgearbeiteten Trachtenstoffe  jene Eintagsfliegen de Mode, die Produkte der Massenkonfektion, die leider oft bedenkenlos gegen das bäuerliche Ehrenkleid eingetauscht werden, während die Tracht Generationen überdauert, etwas Zeitloses ist. Wie fehl geht manches junge Mädchen, wenn es glaubt, im modischen Kleid hübscher auszusehen. Oft wird die herbe Schönheit einer Schwarzwälderin gerade durch die Tracht wirkungsvoll unterstrichen, während sie im neumodischen Stadtkleid alltäglich wirkt.

 

Unter den heutigen Verhältnissen ist es schon schwierig geworden, sich eine Originaltracht zu beschaffen, weil manche Stücke nicht mehr hergestellt werden, so z.B. die gelben Strohzylinder, die einstmals im Bregtal getragen wurden. Ein ganzes Gewerbe, das einstens vielen Brot gab, ist dadurch erloschen.

 

Auch die Stickerinnen, die in behutsamer Arbeit die silbernen und goldenen Ornamente, sowie auch Blumen auf Mieder etc. aufnähten, sterben langsam aus.

 

Das Entwerfen der Muster, das Ausstanzen der Formen aus Pappe und das sorgsame Aussticken der Muster werden nicht mehr bezahlt, desgl. fehlt es an der Herstellung von schwarzen Taffetbändern mit der schönen Maserung und auch an jenen buntfarbigen, wie sie in der St. Märgener Gegend getragen werden. Doch scheint heute ein gewisser Umschwung einzutreten. So sehr man es auch bedauern muss, die Tracht mehr und mehr ihrem eigentlichen Sinn und Zweck entfremdet wird, so wird sie doch durch Veranstaltungen der Vergessenheit entrissen. Man lernt wieder ihre Schönheit schätzen und ihren Wert erkennen. Fördernd für die Tracht scheint, wie schon eingangs erwähnt, der wachsende Fremdenverkehr zu sein, denn der weither kommende Gast liebt das Bodenständige, das das sich ihm in der Tracht am besten zeigt. Wie eindrucksvoll ist es, wenn die Feste der Kirche und des Dorfes durch den Schmuck der Tracht belebt werden. Es bedarf einer behutsamen Pflege dieses Kulturgutes, vielleicht auch da und dort einer kleinen Wandlung zu zweckmäßigeren und leichteren Stoffen hin, um die Tracht neu zu beleben und sie wieder zu dem werden zu lassen, was sie einst war: Eine wirklich schöne Zierde der Heimat.