Bier reifte früher in der „Bräue“

Im Gebäude des Gasthauses „Zur Birke“ befand sich früher eine Brauerei

 

(hag) Im letzten Jahrhundert wurde in Birkendorf noch Bier gebraut. Der Bierbrauer Josef Selg produzierte damals in der „Bräue“, wie sie die Einheimischen nannten, sein Bier. Heute befindet sich im selben Gebäude das Gasthaus „Zur Birke“.

 

Es wäre nun interessant zu wissen, welche Bedeutung diese Brauerei zur damaligen Zeit hatte. Über den Umfang der Bierproduktion sind leider keine genauen Zahlen bekannt. Aus einem Übergabe-Vertrag kann man aber einen kleinen Einblick in die Bedeutung der Barauerei erhalten. Im Jahre 1849 übergaben der 49 Jahre alte Josef Selg und seine 39 Jahre alte Frau Franziska ihrer 18 Jahre alten Tochter Emilie Selg die Brauerei. Für sich dagegen wollten sie den Bauernhof in Röthenberg[1] vorbehalten.

 

Im Gutsübergabe-Vertrag vom 25. Feb. 1848[2] finden wir die genaue Auflistung des Inventars, unter anderem eine Aufzählung der Brauereigerätschaften. Schapfen, Standen, Bier- und Malzbütten, Kübel, Malzschaufeln werden aufgezählt. An Behältern waren 53 Lagerfässer von 600 bis 1300 Maß, 30 Fässer von 50 bis 250 Maß und 300 „Abzugfäßle“ von 15 bis 30 Maß genannt. Ein Maß[3] sind heute 1,5 Liter. Am Lager hatte der Brauer beim Übergabetermin 350 Ohm[4] Bier, was 525 Hektolitern entspricht, daneben 150 Liter Zwetschgenwasser und 3000 Liter Malzbranntwein.

 

An Forderungen für Bierlieferungen waren beim Brauer noch Rechnungen von 1080 Gulden offen. Aus der Liste dieser Bierschulden erfahren wir die Wirtschaften, die von der Birkendorfer Brauerei beliefert worden waren, zumindest diejenigen, die noch nicht bezahlt hatten.

Lieferungen gingen an Posthalter Fischer von Ühlingen. Hirschenwirth Albrecht von Ühlingen (das heutige „Posthorn“[5]), Bierbrauer Henner von Bonndorf, Joseph Nußbruger von Untereggingen, Wirth Baschnagel von Wellendingen, Wirth Morath von Mettenberg, Wirth Matt von Igelschlatt[6], Wirth Flügel von Hirrlingen, Bierwirth Schwenninger von Schwaningen, Wirth Güntert zu Mettingen, Wirth Isele zu Wangen, Wirth Ebner zu Riedern, Wirth Schupp zu Wittlekofen, Wirth Probst zu Bettmaringen, Wirth Probst zu Ühlingen, Wirth Matt zu Mettingen, Wirth Eichkorn zu Wittlekofen und Wirth Schildknecht zu Riedern.

 

Das Vormundschaftsgericht in Bonndorf hatte zunächst die Vermögensübergabe abgelehnt, da das reine Vermögen der noch minderjährigen Emilie Zelg gerade noch 73 Gulden betrug. Dem Vermögen von 13022 Gulden standen Schulden in Höhe von 12949 Gulden entgegen. Da die Schätzer aber bestätigten, daß sie mit Rücksicht auf Wohnrechte und Pfründe bewußt niedriger geschätzt hatten, wurde die Übergabe am 28. März 1849 genehmigt. Trotzdem schien es mit der Brauerei nicht zum Besten zu stehen, sie wurde bald „vergantet“, das heißt zwangsversteigert. Im Grundbuch [7] der Gemeinde Birkendorf erfahren wir, daß am 8. März 1851 die „Gantmasse Selg“ an Katharina Berger, der Wittwe des Igelschlatter Müllers, verkauft wurde. Der Müller Berger hatte sich zuvor für 5000 Gulden für die Brauerei verbürgt, deshalb griff die Wittwe bei der Versteigerung zu.

 

Der jüngste Sohn des Müllers, Leopold Berger erwarb 1855 das Meisterrecht im Bierbrauen, jedoch wurde ihm die Genehmigung zum Ausschank seines selbstgebrauten Bieres versagt. Durch mehrere Bittschriften an das Ministerium des Innern erreichte er 1858 das gewünschte Recht. Aber schon damals beklagte sich Berger, daß ihm die Rothausbrauerei[8] große Konkurrenz biete. Noch Jahreszahl    eiskeller

        Türbogen 18 LB 66  (Leopold Berger)                                        Eiskeller mit zwei Räumen

 

1866 ließ Berger bei der Igelschlatter Säge, dem heutigen Sägewerk Braun, einen Keller[9] in den Berg treiben, um dort sein Bier kühl zu lagern.

 

Berger starb kinderlos. Seine Frau verkaufte die „Bräue“ an Max Blatter[10], der im Beck’schen Haus[11] eine Wirtschaft betrieb.

Max Blatter, von Beruf Bäcker, stellte am 4. Dezember 1873 ein Gesuch, zum Betrieb einer Schankwirtschaft. . Eine Rechnung aus dem Jahre 1877 an den Birkendorfer Gastwirth Keßler[12] beweist, daß damals noch immer gebraut wurde. Unter Max Blatter wurde die Birke zu den heutigen Räumlichkeiten umgebaut.

Plan-Birke 1873

Max Blatter starb 1911 und die Birke wurde an Baptist Kirner aus Lenzkirch verkauft. Später erwarb sie Friedrich Fechtig von der „Post“, der sie seinem Sohn Johann Fechtig übergab. Dessen Tochter Marianne Frommherz übernahm 1973 die Wirtschaft. Im Januar 1979 verkaufte die Familie Frommherz die “Birke“.

 

Die Birke wechselte in den folgenden Jahren öfter den Besitzer. Auf die Familie Frommherz folgte Günter Fehlberg, dann die Familie Bulla-Wisinger und anschließend Frau Kratz. Danach Gerda und Norbert Patschowski die kleine Wirtschaft um bis sie sie wieder verkauften.

Die Birke wechselte bis heute noch drei Mal Ihren Besitzer.

 

durchgang zum kaufhaus          zisterne

Durchgang zum Keller des  Handelshauses und Zisterne mit glasklarem Wasser im Keller der Birke aus der ersten  Birkendorfer Wasserversorgung, noch mit Deucheln

 

Birke 2018

Die "Birke" im Jahre 2018

 

 

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[1] Franziska Selg war eine geborene Jehle aus Mettenberg , Josef Selg scheint aus Ühlingen gestammt zu haben. Neben ihrer Tochter Emilie hatten die Selgs noch fünf jüngere Kinder.

[2] Grundbuch III Gemeinde Birkendorf S.50 Nr.31

[3] Alte Maße:        1 Maß = 4 Schoppen = 1,5 Liter

                               1 Schoppen = 3/8 Liter

                               1 Ohm = 150 Liter

                               1 Saum = 150 Liter

                               1 Eimer = 50 Liter

[4] siehe Fußnote 3

[5] Das Posthorn in Ühlingen hat in seinem Wappen, das vor dem Haus hängt, noch den Hirsch

[6] Ob hier eine Verwandschaft besteht mit Franz Xaver Matt?

Aus Igelschlatt stammt Franz Xaver Matt, 1859 geboren, der im Rothaus Brauer lernte und nach Amerika auswanderte. In Utica, im Staate New York, gründete er die „West-End-Brauerei“, eine der größten Brauereien der USA (Hermann Seite 171)

[7] Grundbuch der Gde Birkendorf band III S.238, Nr. 179

[8] 1792 wurde die Brauerei Rothaus vollendet. Fürstabt Gerbert hatte sich zu deren Gründung entschlossen, um die Bevölkerung vom übertriebenen Schnapskonsum abzuhalten.

[9] Der Keller existiert noch immer, wird aber nicht mehr genutzt.

[10] “S’Maxe Huus“ war ein imposantes Bauernhaus und stand neben der Kirche, Gegenüber der „Birke“, wo sich heute der Rasen befindet. Leopold Blatter stammt aus diesem Hause.

[11] Das heutige Haus „Kohlbeck“??

[12] war das Gasthaus "Post"